15.6.2016 Hochwasserbericht

 

In Anbetracht der Hochwasserentwicklung überprüfen wir unsere Fahrzeuge auf Einsatzbereitschaft. Arbeitgeber und Kollegen werden bereits jetzt gebeten, sich auf einen Einsatzfall einzustellen und für Abkömmlichkeit zu sorgen.

Der Pegelstand in Hitzacker beträgt jetzt 4,41 m.  

Der mittlere Wasserstand beträgt hier normalerweise 2,76 m.


 

 

04.06.


Um 18.24 Uhr wird durch den Landrat Jürgen Schulz der Katastrophenfall für den Landkreis Lüchow- Dannenberg ausgerufen. Laut Vorhersage muss am 12.06. mit einem Pegel von 8,80 m gerechnet werden. Das sind nur 15 cm unter Deichkrone.

Um 20.30 Uhr wird das THW Kutenholz alarmiert.

Pegelstand: 4,57 m

 

 

05.06.


Um 04.00 Uhr rückt das Führungsfahrzeug (Zugtrupp) und der Gerätekraftwagen 

(1.Bergungsgruppe) mit insgesamt 13 Helfern aus.

 

Um 7.20 Uhr kommen wir in Lüchow an.

Wir werden der örtlichen Feuerwehr unterstellt und bekommen unser Einsatzgebiet in einer ehemaligen Kiesgrube zugewiesen. Später werden wir nach Groß Gusborn zum  Sandsack füllen verlegt.

 

Das führt zu ungeahnten Erkenntnissen.

 

Unseren Schlafplatz finden wir in einer Grundschule. Besonders die Sitzhöhenanordnung der sanitären Einrichtungen fordert unsere strapazierten Gelenke zusätzlich.

 

Unser Ortsbeauftragter Rudi Meyn hat als Fachberater seinen Einsatzort, gemeinsam mit Fabian Rhode vom THW Buxtehude, in der Leitstelle Lüchow-Dannenberg. Martin Witt von der DLRG koordiniert den Einsatz der Boote auf der Elbe und Ralph Beckmann vom örtlichen Kreisverbindungskommando der Bundeswehr führt die Lagekarte und ist die Schnittstelle zwischen den Zivilisten und den Streitkräften.

Zusammen mit Claus Buck von der Kreisfeuerwehr Lüchow-Dannenberg stellt sich nicht nur eine bunte, sondern auch eine schlagkräftige Truppe der Katastrophe entgegen.

 

Bild: von li. Martin Witt (DLRG), Rudi Meyn (THW Kutenholz), Claus Buck (Kreisfeuerwehr Lüchow-Dannenberg), Fabian Rhode (THW Buxtehude), Ralph Beckmann (Kreisverbindungskommando)

 

Quelle: Kreisfeuerwehrverband Lüchow-Dannenberg

 

Um 21.00 Uhr ist für heute erst mal Schichtende.

Pegelstand Hitzacker 4,74 m.

 

 

06.06.

 

Unsere Schicht beginnt um 5.00 Uhr, d.h. aufstehen um 3.30 Uhr.

 

Im Laufe des Tages klettert die Aussentemperatur auf 23° im Schatten, ein Freibad wäre heute der richtige Platz.

In „unserer“ Kiesgrube sind wir weit entfernt von 23°. Die Wärme staut sich hier enorm auf,  Wind erreicht uns nicht und Schatten gibt es hier auch nicht.

Sonnenschutz muss her. Unsere Vorgesetzten bemühen sich um Gartenpavillons oder -schirme.

Alle ausverkauft. Wie auch immer sie es geschafft haben, im Laufe des Tages trifft doch noch was ein. Gott sei Dank!

Inzwischen sind weitere Helfer angekommen und fahren mit dem Kipper Sandsäcke im LK Lüneburg.

Schichtende ist um 18.00 Uhr.

Wir ziehen um 19.30 Uhr um, in eine Unterkunft der Polizeidirektion Lüneburg, diesmal mit Duschen.

Pegelstand: 4,98 m

07.06.


Unsere beiden Einheiten werden jetzt getrennt. Der Zugtrupp übernimmt die Tagschicht  im Meldekopf der Kaserne.

Insgesamt sind hier bis zu 300 Helfer des THW untergebracht. Unsere Aufgabe ist es, für einen reibungslosen Ablauf in der Unterkunft zu sorgen. Wir organisieren die Verpflegung, die Zimmerbelegung, ärztliche Versorgung, Ersatzbekleidung u.s.w.

 

Die neu ankommenden THW- Einheiten melden sich bei uns, wir müssen den Überblick behalten über die Trupps die da sind, die Gruppen die bereits im Einsatz sind und wann sie zurückkehren. Wir arbeiten im Schichtbetrieb zusammen mit anderen Ortsverbänden.

 

In der Kiesgrube ist unsere Bergungsgruppe aktiv.

Die Temperaturen, aber auch der Wasserstand klettern weiter. Ebenfalls zunehmend sind die Mücken.

Insektenschutzmittel wird verteilt . Am späten Nachmittag kommen noch vier Kutenholzer Helfer nach und verstärken uns.

 

Am Abend kommen wir endlich mal zum Grillen und zum entspannen. Das tut uns allen gut.

 

Die Prognose für den Höchststand wurde von 8,80 m auf 7,65 m korrigiert.

Pegelstand: 5,33 m


08.06.

 

Unsere letzte Schicht. Wie werden abgezogen, um 17.40 Uhr sind wir wieder zu Hause.

Pegelstand: 6,30 m


09.06.

Mal wieder im eigenem Bett schlafen, mal wieder Ruhe haben, nicht ständig so viele Menschen um einen herum, das ist etwas Schönes. Es reicht, um einmal Energie nachzutanken, denn um 16.00 Uhr werden wir wieder alarmiert.

Um 19.44 Uhr sind wir wieder da und übernehmen diesmal die Nachtschicht im Meldekopf. 

 

Südlich von Magdeburg ist ein Deich gebrochen, 23.000 Menschen werden evakuiert. Das sorgt für Unruhe, ist das nun gut oder schlecht für Lüchow- Dannenberg? Es heißt jedenfalls, dass die Gefahr nicht gebannt ist. Sich in Sicherheit zu wiegen, wäre ein Fehler.

 

Im Meldekopf erleben wir den Frust der Kameraden, in deren Bereich der Deich brach.

Es ist eben doch etwas persönliches, zwischen uns, dem Deich und dem Wasser.

 

Der Pegel ist sprunghaft angestiegen, es sind jetzt 7,48 m.


 


10.06.

 

Pegelstand: 8,09 m

 

 

In Tangermünde bricht ein Deich, genau wie in Fischbeck.

Wie die Weltmeister befüllen wir Sandsäcke.

In der Kiesgrube ist Tag und Nacht Betrieb. Eine Katastrophe macht keine Pause, wir auch nicht.

 

Es ist unglaublich zu sehen, dass sich jeder zuständig fühlt, sich Gedanken macht und versucht, das zu geben, was er kann. 

Freiwillige Privatpersonen bevölkern unsere „Kiesgrube“. Alle, die „schweres Gerät“ haben, stellen ihre freien Kapazitäten zur Verfügung. Trecker mit Anhängern, LKW´s privater Spediteure, die Fahrzeuge der Strassenreinigung stehen in einer langen Schlange bereit, um die Sandsäcke an ihren Bestimmungsort zu bringen.

 

Treibgut gefährdet Brücken. Das muss raus. Unsere Kameraden fischen im Laufe des Einsatzes jede Menge davon aus dem Wasser.

 

11.06.


Der Pegel ist weiter gestiegen. Unfassbare 8,17 m hat er jetzt.


Über 3500 Personen sind in diesem Landkreis im Einsatz. Das sind die Menschen, die wir sehen, aber es sind viele unsichtbare Helfer im Hintergrund aktiv, damit wir alle hier vor Ort sein und helfen können. Es sind Arbeitgeber, die Mitarbeiter frei stellen, Kollegen, die für fehlende Personen mitarbeiten, Familien, die sich ohne Partner organisieren und auch Nachbarn, die Haustiere versorgen.

 

Einige unsichtbare Helfer seien hier genannt, die Arbeitgeber und Kollegen folgender Betriebe, haben es möglich gemacht:

 

Air Liquide Industriegase GmbH; Werkverbund Nord

Autohaus Meyer

Bundesfinanzdirektion

Commerzbank AG; Deutsche Schiffsbank

Deutsche Telekom GmbH

A. Reyher GmbH & Co

Fricke Verfahrenstechnik GmbH

Geti Wilba

HRC Sicherheitsdienst GmbH

LISEGA SE

MT- Energie GmbH

NDB-Elektrotechnik GmbH

RPC Bebo Plastik GmbH

 

Wir danken Ihnen für Ihre Unterstützung !

 

 

 

12.06.

 

Der Pegel fällt auf 8,13 m. 

Das sind nur 4 cm weniger als gestern, aber immerhin ist es weniger.

Unser Zugtrupp wird durch frische Kräfte ersetzt, um 8.00 Uhr übergeben wir das letzte Mal den Meldekopf an die Tagschicht.

Um 19.30 Uhr rücken wir ausgeschlafen ab gen Heimat.

 

Ein enormer Wasserdruck liegt auf den Deichen. Es bilden sich Sickerstellen.

Das Wasser läuft nicht oben über die Deichkrone, es kommt von unten. Es unterspült Straßen und auch Bäume. 

In der Leitstelle Lüchow- Dannenberg geht um 19.00 Uhr die Nachricht ein, dass man glaubt, dass sich eine alte Eiche, in unmittelbarer Nähe des Deiches, bewegt.

Sie könnte auf den Deich fallen und ihn schwer beschädigen. 

Mit Hilfe einer Nivelierschnur und Markierungen am Baum wird festgestellt, dass sich der alte Baum tatsächlich bewegt. Er senkt sich mit ca. 1cm pro Stunde in Richtung Deich.

Der Baum steht unter Naturschutz, der Untergrund ist derart aufgeweicht, dass Fällen nicht möglich ist, aber auch das Sichern entfällt unter den Bedingungen.

 

Wie bei allem in diesem Einsatz, lässt sich diese Situation nur im Team meistern.

Die DLRG geht mit Rettungsbooten auf der Elbe in Position, eine zweite Rettungslinie  bilden Kollegen des THW, auch sie haben Strömungsretter der DLRG  an Bord.

Ihre Aufgabe wird es sein, bei einem Absturz den Menschen aus dem Wasser zu holen, der nun in die Baumkrone muss, um diese auszulichten.

Die Aktion gelingt und die alte Eiche steht bis heute.

 

13. und 14.06.

 

7,91 m ....das Wasser läuft schneller ab, als die Prognosen es vorhergesagt haben.

Das hat seinen tragischen Grund, im Oberlauf hatte es mehrere Deichbrüche gegeben. 

Es fängt an zu regnen, das ist für die nassen Deiche nicht gut.

Bereits jetzt fühlt er sich unter den Füßen an wie „Wackelpudding“.

 

Viele Teileinheiten werden gegen frische Kräfte ausgetauscht.

 

15.06.

Wir sind wieder vollzählig in Kutenholz, denn auch für unseren Fachberater ist heute der Einsatz beendet.

 

Pegelstand: 7,50 m; weiter fallend

 

______

 

Ich nehme viele Eindrücke und Erfahrungen mit aus diesem Einsatz. 

Beeindruckend ist die Solidarität mit denen, die von der Flut bedroht waren. Sich zuständig fühlen, Rückgrat zeigen, Katastrophen die Stirn bieten.

 

Und ich war als kleines Puzzlestück dabei und habe dazu beigetragen, Schlimmeres zu verhindern

 

 


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